23.07.-27.07.2018

E-MTB-Alpencross: Dolomiten

Keine "vollständige" Transalp,
aber ein Teil davon.
5 Tage, 306 km, 7.820 hm,
wenige Schiebe-/Tragepassagen

23.07.2018, Etappe 1: Franzensfeste – Mühlbach, Distanz: 37,1 km, Anstieg: 1429 hm

Die Original-Tour aus dem Buch startet in Sterzing und geht in 5 Etappen bis an den Kalterer See. Natürlich kann man auch am Tegernsee starten, also vorher schon über's Pfitscher- und Pfunderer Joch fahren und logischerweise ist es auch kein Problem die Tour am Gardasee enden zu lassen.
Für mich waren aber 5 Tage das Limit und das hab ich auch geschafft.

Am Montag fahre ich also um 6:00 Uhr daheim los und bin exakt 4 Stunden später in Franzensfeste (20km südlich von Sterzing). Die Suche nach einem Parkplatz für mehrere Tage ist die erste Herausforderung, denn der große Parkplatz am Bahnhof ist voll. Ich warte kurz ab und frage den Erstbesten nach einem Tipp und freundlich wie sie sind, die Südtiroler, zeigt er mir ca. 300m weiter eine kleine, als Parkplatz ausgewiesene Fäche. Ich stelle zwar mit einem etwas mulmigen Gefühl das Auto ab, aber schon kurz darauf gegen 10:30 Uhr bin ich auf dem Radweg unterwegs in Richtung Sterzing.

Ja, in Richtung Sterzing d.h. ich fahre in die Richtung aus der ich gekommen bin, aber das hat mit Etappe 5 zu tun - ich erklär das später.
Kurz vor Mauls treffe ich auf die Bundesstrasse, aber gleich danach kann ich schon abzweigen in Richtung Ritzail/Rizzolo. Auf einer schmalen Teerstraße geht's hier gleich richtig zur Sache und kontinuierlich bergauf. Nach den letzten Höfen endet die Teer- und es beginnt eine Schotterstraße, die aber später, an einem kleinen Schotterparkplatz, ebenfalls endet. Ich überlege kurz: "und wo geht's jetzt weiter", sehe dann aber den unscheinbaren, schmalen Wanderpfad.

Auffahrt zum Valser Jöchl
Der Blick zurück, Richtung Sterzing

Die ersten Meter sind auch noch ok, aber dann muss ich Schieben, denn der Pfad führt in Serpentinen steil den Berg hoch. (ich komme leider nicht mit der Schiebehilfe klar) Nach 15 bis 20 Minuten bin ich ziemlich außer Puste, aber der Pfad ist wieder fahrbar. Kurz darauf kommt erneut ein recht steiler, letzter Anstieg, der mich wieder zum Schieben zwingt.

Nach diesem steilen Stück stehe ich oben am Valser Jöchl und verkrieche mich auf der windgeschützten Seite des Berggasthofes. Der Wind ist so kalt, dass ich keine Lust habe mich länger auf 1973 m Höhe aufzuhalten und verzichte deshalb auch auf die geplante Variante „Stoanamandl“. Ich ziehe nur schnell meine Windjacke an und fahre gleich weiter. Da der Wind von Westen kommt, liegt die Abfahrt windgeschützt und nach wenigen hundert Metern spüre ich bereits wieder diese angenehme italienische Wärme. Am Jöchl ist zwar dieser Berggasthof, aber gemütlicher wäre bestimmt die Linderalm (1900 m) oder auch die Anratter Hütte (1814 m), die beide direkt an der Abfahrt liegen.

Nach den beiden Hütten verläuft der Forstweg durch einen sehr schönen Lärchenwald und endet irgendwann im Ort Spinges. Dort zweige ich, rechts neben der Kirche, in einen Schotterweg ab, der kurz darauf in einen steilen, steinigen Trail übergeht.
Am Ende des Trails fahre ich links, an einem Gebäude vorbei auf einen unscheinbaren Wiesentrail. Trotz Navi bin ich gerade extrem unsicher, ob das der richtige Weg ist - also fahre ich etwas langsamer weiter!

Mühlbach
Etappenziel Mühlbach

Es zeigt sich, dass ich hier richtig bin, denn der Wiesenweg geht relativ schnell in einen schönen Trail im Wald über. Wer gerne enge Spitzkehren fährt, hat hier sicher Spaß. Der Trail mündet in eine Straße, die mich schnurstracks ins Zentrum von Mühlbach bringt.

Ich hatte ein Zimmer im "Gasthof zur Linde" gebucht.
Zimmer und Frühstück sind ok, das Personal ist sehr freundlich und mein eMTB ist in einem verschließbaren Radl-/Ski-Raum abgestellt. Der Einfachheit halber setze ich mich für's Abendessen an einen Tisch auf der kleinen Terasse direkt vor dem Gasthof.
Während ich auf's Essen warte kann ich mir die Zeit damit vertreiben, den Trubel in der Fußgängerzone zu beobachten.

Ich lasse den Tag Revue passieren...naja, da gibt's noch Steigerungsbedarf!


km-Stand Höhenmeter Position Restakku
37,1 km 1.429 hm Mühlbach ca. 45 %
24.07.2018, Etappe 2: Mühlbach – St. Vigil, Distanz: 56,9 km, Anstieg: 2143 hm

Bei herrlichstem Wetter fahre ich von Mühlbach aus ca. 15 km auf dem Pustertal-Radweg gemütlich bis Kiens. Nach Schloss Ehrenburg durch's Gadertal ein kurzes Stück bergauf und dann runter in den Ort Montal.

Skipiste am Kronplatz
Man quert mehrere Skipisten

Hier spielt mir mein Garmin Oregon einen Streich, denn die Variante über den Kronplatz ist vermutlich nicht korrekt geladen und weil Bundesstraßen in einer ähnlichen Farbe wie die Route dargestellt werden, folge ich ich ca. 10 Minuten (bergauf) der Bundesstraße.
Hin und wieder überbrückt man ja ein paar km auf verkehrsreichen Straßen, daher kommt mir das anfangs auch nicht verdächtig vor. Aber vor dem ersten Tunnel werfe ich dann doch einen Blick in das Roadbook und stelle fest, dass ich total falsch gefahren bin.
Ich lade die Variante Kronplatz erneut und diesmal funktioniert es auch.

Ich weiß also ungefähr wo ich hinmuss, fahre daher nicht komplett zurück, sondern suche mir eine Abkürzung. Diesmal habe ich Glück, denn innerhalb von 5 Minuten bin ich zurück auf der Route. Bei der Planung der Tour hatte ich bereits berücksichtigt, dass ich kurz vor dem Anstieg zum Kronplatz den Akku laden muss. Mir erschien der Ort Reischach dafür ideal, denn von dort sind es ca. 1350 hm zum Gipfel und das müsste nach meiner Erfahrung klappen.

Links im Ort, kurz vor der Kirche sehe ich eine „Bar-Gelateria“, aber als ich nach einer Steckdose frage sieht mich die Bedienung an, als wäre ich ein Alien. Ich fahre also weiter und nach ein paar hundert Metern kommt rechts das Dorfcafe.

Kronplatz, Gipfel
Tolles Panorama am Gipfel

Ich frage nach Strom und die sehr nette Bedienung führt mich zu einer Steckdose im hinteren Teil des Lokals. Nach ca. einer Stunde mit Cappucino, Kuchen und frisch gepresstem O-Saft, sind sowohl mein Akku, als auch der im Bulls wieder fast voll. Für die 1350 hm rauf auf den Kronplatz sollte das reichen und so viel schon mal vorab, es reichte locker.

Vom Dorfcafe aus fahre ich zuerst recht gemütlich, dann aber ziemlich steil auf Asphalt bergauf. Es folgen etliche km auf einer schönen Forststraße mit moderater Steigung. Nach einiger Zeit treffe ich auf eine Mittelstation der Bergbahn und einen Berggasthof. Beide sind nicht in Betrieb, aber eine kurze Pause mache ich hier trotzdem. Unmittelbar nach dem Berggasthof muss ich, über ein paar fiese Serpentinen mit tiefem Schotter, den Berg hoch. Naja was heißt Berg, es ist eine Skipiste. Kurz darauf fahre ich aber wieder auf einem schönen Forstweg durch den Wald und das ist auch gut so, denn die Temperatur ist mittlerweile ganz ordentlich. Nach einem flacheren Stück treffe ich erneut auf eine Mittelstation (diesmal in Betrieb), aber ob man hier den Akku laden könnte weiß ich nicht. Bis zum Gipfel sind es auch nur noch 400 hm und ich weiß, das schaff ich locker.

Auf diesem letzten Stück gibt es fast keinen Schatten mehr, dafür kann man bereits erahnen, welches Panorama einen am Gipfel erwartet. Die Aussicht am Kronplatz ist echt gewaltig. Ich fotografiere in alle Richtungen, gehe kurz hoch zur Friedensglocke unterhalte mich noch mit einem anderen biker und starte dann relativ schnell in die Abfahrt. Gemäß der ULP-Route fahre ich links am "Messner-Mountain-Museum" vorbei und dann auf einem gut fahrbaren Wanderweg runter bis zu einer Almhütte (Rifugo Graziani). Dort sollte ich auf eine Schotterstraße treffen, aber da gebaut wird, versperren mir Aushub und schwere Baufahrzeuge den Weg.

Abfahrt nach St. Vigil
Die Abfahrt nach St. Vigil

50m unterhalb der Hütte sehe ich aber die Schotterstraße, also schiebe ich querfeldein und bin nach ein paar Minuten auf dem richtigen Weg.
Bereits nach ca. 500m zweige ich von der Schotterstraße in einen netten Trail in den Wald ab. Der ist klasse!😎
Im unteren Teil treffe ich auf eine Absperrung und dahinter geht der Trail in eine gebaute Strecke mit Anliegerkurven über, die ist oberklasse!!😎😎

Leider ist diese "Achterbahnfahrt" schnell vorbei und ich treffe wieder auf eine Schotterstraße. Auf dieser fahre ich, in wunderschöner Kulisse, an einem Skihotel und Skiliften vorbei. Die Schotterstraße geht in eine schmale Teerstraße über, die relativ steil ist und mich schnurstracks nach St. Vigil, dem Etappenziel bringt.

Die Übernachtung hatte ich vorab im "B&B Garni Erna" gebucht, das ich mit gutem Gewissen weiterempfehlen kann.


km-Stand Höhenmeter Position Restakku
31,61 km 547 hm Dorfcafe Reischach ca. 75%, dann ca. 95%
38,54 km 1.155 hm Mittelstation ca. 80%
43,17 km 1.614 hm Kronplatz, Gipfel ca. 60%
56,88 km 2.143 hm St. Vigil ca. 45%
25.07.2018, Etappe 3: St. Vigil – Arabba, Distanz: 47,7 km, Anstieg: 1824 hm

Bei herrlichstem Wetter fahre ich von St. Vigil aus ein kurzes Stück auf Asphalt und dann ca. 10 km auf einem Forstweg in Richtung Pederü-Hütte. Von dem Forstweg zweigen immer wieder schöne Singletrails in den Wald ab, die ich alle ausprobiere.
Kurz vor dem Talende fahre ich nicht geradeaus weiter, sondern zweige nach links ab und nach ca. 100 m stehe ich an der Pederü-Hütte. Nach der Hütte (an einem Gatter) treffe ich auf biker, die wie ich überlegen, wo denn der Weg weitergeht.

Fanes Hochebene
Fanes Hochebene

Der Wegweiser zeigt relativ eindeutig, dass die Schotterstraße, die links hochgeht, Richtung "Sennes" führt und die "Fanes-Hochebene" in etwa geradeaus, oberhalb des Talendes, liegen müsste. Halbrechts ist aber nur ein Wanderweg sichtbar, der unzweifelhaft nicht fahrbar ist. Aus der Anzeige meines Garmin, werde ich nicht so richtig schlau und den anderen geht's vermutlich ähnlich, denn die entscheiden sich erstmal eine Pause an der Hütte einzulegen. Laut meinem Navi muss ich geradeaus auf einem extrem unscheinbaren Weg.
Naja, wenn das Navi das anzeigt - was sollste machen?

Ich fahre also los und nach ein paar Minuten stehe ich, fast wie erwartet, in einem Geröllfeld.
Ende Gelände! - evtl. ging der Weg früher dort entlang und wurde im letzten Winter verschüttet. Jetzt endet der Weg hier! Ich will gerade umdrehen, da sehe ich keine 100 m vor bzw. über mir ein SUV den Berg hochfahren. Im Grunde war ja klar, dass es eine Schotterstraße zur Versorgung der Fanes-Hütte geben muss, aber wenn man bereits an der Pederü-Hütte ist, sieht man sie nicht.

Ich wuchte also mich und mein bike auf die Schotterstraße und trete wieder in die Pedale. Nach einigen Kehren wird das Gelände flacher und es öffnet sich eine Hochebene mit einem kleinen See links neben der Schotterstraße. Am Ende der Ebene geht's dann steiler den Berg hoch und als ich (in Stufe 1) langsam an ein paar MTBikern vorbeifahre, sieht man denen an, wie anstrengend der Anstieg mit einem normalen MTB und einem schwerem Rucksack auf dem Rücken sein muss.

Limojoch
Am Limojoch

Es folgt erneut eine flache Passage durch eine Hochebene, bis es kurz vor der Fanes-Hütte (2060m) nochmals etwas steiler wird. Vermutlich werden die meisten an der Fanes-Hütte eine längere Pause einlegen, denn die Landschaft ist echt klasse, aber ich fahre gleich nach einer kurzen Verschnaufpause weiter. Nach der Hütte kommt nochmal ein steiles, schotteriges Stück und dann ist es erstmal vorbei mit den Anstiegen, denn ich hab das Limojoch und kurz danach den Limosee erreicht. Ich bin bis hierhin schon mehr als begeistert und hab noch nie so oft angehalten um Fotos zu machen.

Es wird aber noch besser! Der Dolomiten-Höhenweg der sich durch diese Hochebene schlängelt ist der echte Wahnsinn! Zwischendurch muss ich 2x kurz schieben, aber das ist absolut kein Problem. Nach ca. 6 km erreiche ich das Ende der Hochebene. Und hier ist wirklich Ende!, da geht’s z.T. auf Treppen so steil runter, dass ich ca. 15-20 Minuten schieben muss. Danach ist der Weg wieder fahrbar und spuckt mich an der "Capanna Alpina" aus.

Diese Hütte hat doch tatsächlich 3 Steckdosen im Außenbereich und alle drei sind frei. Ich mache also ca. 1 Stunde Pause und lade den Akku wieder etwas auf.

Das Essen auf der Hütte soll recht gut sein, allerdings hab ich im Moment nicht viel Hunger, also gönne ich mir als Gegenleistung für den Strom nur zwei Radler und einen kleinen Salat. Von der Capanna Alpina geht’s erstmal einige hundert Höhenmeter runter bis in den Ort St. Kassian. An der Talstation des Skiliftes beginne ich dann den Anstieg hoch zur Pralongia-Hütte. Bis auf ein paar steilere Rampen ist der Weg sehr gut fahrbar und die Aussicht ist super.

Pralongia
Kurz nach der Pralongia-Hütte

Oben angekommen, fahre ich an der Pralongia-Hütte vorbei und dann rechts neben der Kapelle auf einen Schotterweg. Da der Schotterweg ab der Bergstation recht steil runtergeht, werden die meisten, so wie ich auch, den Weg nehmen der in den Almwiesen neben der Straße runtergeht. Nach ein paar Kehren wird die Schotterstraße flacher und ich kann das bike laufen lassen.
Zum Schluss hin geht die Schotterstraße in eine schmale Asphaltstraße über und ich durchquere den urigen Ort Cherz. Von dort geht es noch ein kleines Stück auf Asphalt runter bis ich auf die Passstraße nach Arabba treffe.

Diese letzten 2 km auf der Passstraße fahre ich einer jungen Rennradfahrerin hinterher, die sich richtig reinkniet. Ich bin mir sicher, dass sie nicht realisiert, dass ich auf einem eMTB unterwegs bin. Ich will sie nicht überholen, denn ich habe einen enormen Respekt vor Ihrer Leistung, aber kurz vor Arabba wird es etwas steiler und da geht ihr dann spürbar die Puste aus.

In Arabba hatte ich ein Zimmer in der „Pensione Sport“, kurz vor dem Kreisverkehr, reserviert. Das ist für eine Nacht völlig ok, aber die Adresse kann ich trotzdem nicht empfehlen, denn das Frühstück ist echt mau.

km-Stand Höhenmeter Position Restakku
13,08 km 475 hm knapp oberhalb Pederü ca. 80%
19,38 km 945 hm Limojoch, 65 Minuten laden an der Capanna Alpina ca. 60% dann ca. 75%
36,44 km 1.572 hm Pralongia-Hütte ca. 60%
47,66 km 1.824 hm Arabba ca. 45%
26.07.2018, Etappe 4: Arabba - Obereggen, Distanz: 54,9 km, Anstieg: 989 hm

Im ULP-Buch steht, man sollte die erste Gondel (08:30 Uhr) zur Porta Vescovo nehmen, damit weniger Wanderer unterwegs sind. Ich lasse es trotzdem gemütlich angehen und bin so gegen 09:00 Uhr an der Seilbahn.
Ich kaufe mir eine Karte für die Bergfahrt und schiebe mein bike in Richtung Gondel. Etwas überrascht, stelle ich fest, dass der Durchgang noch gar nicht geöffnet ist. Ich unterhalte mich mit drei Kletterern aus Tschechien, die als Einzige vor mir stehen. Hinter mir stehen mittlerweile relativ viele Wanderer - aber kein anderer biker. Kurz vor 09:30 Uhr wird dann die Absperrkette entfernt.

Bindelweg
Kurz vor der Bindelweghütte

Ich nutze den extrabreiten Durchlass für MTB und bin als einer der ersten in der Gondel. Dort versuche ich möglicht wenig Platz zu blockieren, was aber dämlich ist, weil ich dadurch nicht vernünftig fotografieren/filmen kann.
Die Bergfahrt dauert lediglich 15 Minuten und endet ca. 900 m höher an einer Bergstation mit einer gewaltigen Aussicht.

Mit Ski oder Snowboard bin ich es ja gewöhnt mal über 2000 m aus einer Gondel auszusteigen, aber als ich mit dem eMTB in 2478 m Höhe aus der Seilbahn Porta Vescovo aussteige, frage ich mich im ersten Moment: „was mach ich hier eigentlich?"

Gegenüber thront die Marmolada, unten glänzt der blaue Fedaia-Stausee, aber wie/wo es hier von diesem Berg runtergehen soll, ist mir im ersten Moment nicht klar. Ich weiß, dass der "Bindelweg" auf der einen Seite des Hanges und die "Sella-Ronda-Hero-Route" auf der anderen Seite verläuft, bin mir zu diesem Zeitpunkt aber extrem unschlüssig, welchen Weg ich nehmen soll. Ich bin wirklich ziemlich eingeschüchtert!
Ich fahre also auf der Skipiste, etwas zögerlich, ein kurzes Stück bergab und sehe dann links den Einstieg in den Bindelweg. Da mich die Aussicht auf dieser Hangseite derart fasziniert, überwinde ich meine Angst und schaue gar nicht mehr nach der Sella-Ronda-Hero-Route, sondern entscheide mich für den Bindelweg.

Pordoijoch
Singletrail zum Pordoi

Nach dem ersten kurzen Stück führt der Weg, handtuchbreit, am steilen Grashang entlang. Mir ist klar, dass hier der geringste Fahrfehler einen Sturz in den steilen Hang verursachen kann und da ich nicht frühzeitig aus dem Leben scheiden will, entscheide ich mich zu schieben. Kurz darauf kommt eine felsige Passage, bei der ich das bike ein paar Meter den Berg hoch wuchten muss. Allein mit dem schweren eMTB, der Angst im Nacken und Knieproblemen ist das ein gaaaanz tolles Erlebnis. Gut, dass wenigstens ein kurzes Drahtseil vorhanden ist, an dem ich mich ein wenig festhalten kann.

Kurz nach dieser Schlüsselstelle ist der Grashang nicht mehr ganz so steil und der Bindelweg geringfügig breiter. Ab hier macht das ganze einen Heidenspaß. Ich habe zudem das Glück, dass das Wetter traumhaft ist und in diesem Bereich nur drei Wanderer unterwegs sind. Kurz vor der Bindelweg-Hütte kommt ein steiles Stück mit Querstufen, das mich nochmal zum Schieben zwingt. Eine Pause auf der Hütte ist nicht nötig, also nutze die geniale Aussicht nur für ein paar Fotos. Gleich darauf schiebe ich mein bike über die Terrasse bis zum nächsten Abschnitt des Bindelwegs.

Der Weg ist ab hier noch breiter, noch ungefährlicher aber ebenso unbeschreiblich schön zu fahren. Das einzige Manko, auf diesem Abschnitt kommen mir viele Wanderer entgegen - 90% davon sind Italiener. Mit einem Lächeln im Gesicht und einem freundlichen „Buon Giorno“ oder „Salve“ grüße ich alle die mir entgegenkommen und niemand also wirklich gar niemand motzt mich auf diesem Wanderweg an.
Das Gegenteil ist der Fall, viele sehen, dass es sich um ein eMTB handelt und fragen neugierig nach Marke, Reichweite usw. Trotzdem wird es gegen Ende des Bindelwegs schon unangenehm, denn es kommen mir plötzlich ganze Busladungen an Wanderern entgegen. Vermutlich lassen sich die Wanderer mit Bussen auf den Passo Pordoi fahren und gehen dann bis zur Bindelweghütte und zurück.

Karersee
Karersee

Am Ende des Weges, mit Ausblick auf das Sella-Massiv, zweigt nach rechts eine MTB-Strecke ab, die vermutlich zurück nach Arabba führt. Ich fahre aber geradeaus weiter auf einen Singletrail (erneut viele Wanderer), der direkt am Passo Pordoi endet. Laut dem ULP-Buch könnte ich am Ende des Parkplatzes wieder auf einen Trail abzweigen, aber da steht jetzt ein unübersehbares Verbotsschild für MTBiker, also fahre ich auf der Passstraße runter.
Ich weiß nicht wieso, aber scheinbar habe ich ein gutes Zeitfenster erwischt, denn auf den ca. 1,5 km bis zum Hotel Lupo Bianco bin ich fast allein auf der Passstraße. Kurz nach dem besagten Hotel zweige ich nach rechts in einen Singletrail ab.
Ich muss ein kleines, sehr steiles Stück schieben, aber der Rest des Trails ist wieder gut fahrbar. Der Trail mündet dann in einen steilen Schotterweg der mich nach Canazei bringt. Von Canazei aus fahre ich ganz gemütlich über geschotterte oder teilweise auch geteerte Radwege durch's Fassatal ca. 10 km bergab bis in den Ort Meida.

Hier beginnt der Anstieg auf den Karerpass. Am Anfang fahre ich kurz auf einer asphaltierten Straße, ab dem Wald dann ca. 600 hm auf einer Forststraße.
Unmittelbar vor dem Karerpass treffe ich auf die Passstraße, der ich bis zur Passhöhe folge. Hier sehe ich rechts neben der Staße einen schmalen Schotterweg und denke mir, super - runter von der Straße. Kurz vor dem Karer See (den man sich unbedingt ansehen muss) muss ich dann leider wieder zurück auf die Passstraße.

Kurz nach dem See, ca. 100m nach der ersten Kurve, zweige ich nach links in den „Tempelweg“ ab. Ohne Navi wäre ich sich daran vorbeigefahren! Diesem flowigen Weg durch den Wald und über Wiesen folge ich ca. 5 km bis ich wieder auf eine asphaltierte Straße treffe. Dieser folge ich und erreiche nach wenigen Kehren den Ort Obereggen.

Ich hatte ein Zimmer im Hotel Mayr gebucht und das ist wirklich ein Volltreffer. Etwas teurer als die anderen Zimmer auf dieser Tour, aber es passt wirklich alles. Zum Essen gehe ich ca. 150m runter in eine Pizzeria, lasse diesen genialen bike-Tag Revue passieren und schaue mir für morgen die Abschlussetappe an.

km-Stand Höhenmeter Position Restakku
39,38 km 525 hm ca. 80%
49,35 km 872 hm ca. 60%
54,89 km 989 hm ca. 55%
27.07.2018, Etappe 5: Obereggen – Franzensfeste, Distanz: 109,4 km, Anstieg: 1435 hm

Mein ursprünglicher Plan war, mein Auto in Mauls zu parken, da dort der Weg zum Valser Jöchl abzweigt. Mir war aber auch klar, dass ich dann 120 km zurück zum Auto fahren muss. Aus diesem Grund hab ich mein Auto in Franzensfeste geparkt.

Jochgrimm
Am Jochgrimm

Das sind immer noch ca. 110 km, aber ich weiß, dass zumindest 23 km davon bergab gehen, also sollte das Ganze auch klappen.
Von Obereggen aus fahre ich zuerst auf einer schmalen Asphaltstraße hoch zur Epicher Laner Alm und von dort über Schotterstraßen runter auf eine Passstraße. Diese kurble ich dann hoch bis zum Lavazejoch. Es ist nix los auf dieser Passstraße und das macht diesen Abschnitt etwas erträglicher.
Kurz nach dem Lavazejoch an einem kleinen See, zweige ich nach rechts in eine Straße zum Jochgrimm ab. Das sind vorerst die letzten 200 hm bergauf.
Am Jochgrimm endet die Asphaltstraße und ich fahre ein kurzes Stück auf einem Schotterweg weiter. Auf dem dann folgenden Wiesentrail, später Waldtrail verabschiedet sich die Halterung meines Garmin Orgeon. Gut, dass ich das Navi zusätzlich mit einer Schnur am Lenker befestigt habe, denn wer weiß, ob ich es rechtzeitig bemerkt und wiedergefunden hätte. Ich fixiere also den Halter des Oregon provisorisch mit Kabelbindern/Tape und fahre weiter. Nach der Isi-Hütte geht der Trail in eine Schotterstraße über.

Nach wenigen hundert Metern auf dieser Schotterstraße zweige ich aber wieder in einen Trail ab, der abschnittsweise grobschottrig, steil oder auch verwachsen ist. Am Ende des Trails lande ich auf einer Asphaltstraße, die mich nach Kaltenbrunn bringt. Hier geht’s erst ein ganz kurzes Stück bergauf und dann zweigt der geschotterte „Bahnweg“ ab. Bahnweg, weil hier früher eine Bahnlinie verlief.

Auer
Zurück im Tal, Auer

Dieser spaßige Weg führt stetig bergab u.a. durch drei unbeleuchtete Tunnel und endet oberhalb von Auer. Von hier muss ich noch ein kurzes Stück auf einen Radweg, dann auf die Straße (und durch einen Tunnel), aber dann auch nochmal über zugewachsene Singletrails fahren bis ich mitten in Auer bin.
Im Ort muss ich nicht lange suchen, bis ich das erste "Radweg"-Schild sehe und folge diesem bis zum Radweg an der Etsch. Ich lade mir den letzten Abschnitt auf mein Garmin und weiß, jetzt liegen ca. 70 km und einige Höhenmeter vor mir. Ich fahre also sofort weiter, immer auf Stufe 1. Da etliche Orte auf der Strecke liegen, machte ich mir bzgl. Akku keine Sorgen.

Kurz nach Klausen, also etwa auf halbem Weg zwischen Bozen und Brixen mache ich eine Pause. Das „Hotel zum Klostersepp“ hat im Außenbereich 2 Steckdosen, also gönne ich mir zwei Radler und meinem bike eine Stunde Strom. Frisch gestärkt und mit fast 70% Akku starte ich in die letzten 24 km und diesmal wähle ich Stufe 2. Kurz nach Brixen bzw. Vahrn kommt eine völlig unerwartete Schleife durch den Wald, bei der sich sicher jeder fragt: „bin ich noch auf der richtigen Strecke?“
Mir geht's genauso, aber ich kann bestätigen, dass der Weg stimmt - kurz danach bin ich wieder auf dem Radweg und die Zweifel sind beseitigt.

Nach knapp 111 km biege ich in den kleinen Parkplatz ein und bin froh das Auto meiner Frau unbeschädigt und ohne Strafzettel o.ä. vorzufinden. Ich verstaue meine Sachen, befestige mein bike, das auch den zweiten eMTB-Alpencross problemlos gemeistert hat, auf dem Heckträger und fahre gegen 16:00 Uhr gemütlich nach Hause.

km-Stand Höhenmeter Position Restakku
11,35 km 602 hm am Jochgrimm ca. 80%
68,48 km 869 hm 60%
86,92 km 1.098 hm vor Klausen, 60 Min. laden ca. 40% dann 65%
109,4 km 1.435 hm Franzensfeste ca. 45%
Fazit

Diese Tour ist kein „vollständiger“ Alpencross aber es ist eine Mehrtagestour in einer hammergeilen Gegend.
Tag 1 könnte man sich sparen, also evtl. in Mühlbach starten, dafür eher einen oder besser zwei Tage mehr in den Dolomiten einplanen und den Tag 5 bzw. dann Tag 6 evtl. doch durch einen Shuttle entschärfen.
Ich bin mir sicher, da läßt sich noch einiges rausholen!

Zu meinem Bulls.:
Im Juni wurde der Motor auf Kulanz getauscht uns seither läuft das Ding völlig problemlos. Mit dem alten Motor wurde regelmäßig die Leistung spürbar reduziert, das ist jetzt vorbei. Ich bin extrem zufrieden mit der Bulls-Brose-Kombination.
Und noch was, man liest ja immer, dass der Akku kontinuierlich an Leistung verliert. Wenn ich mir aber die Reichweiten/-höhen auf dieser Tour ansehe, möchte ich behaupten, dass ich keinen signifikanten Unterschied zum Neuzustand von 2016 feststellen kann.